Digitale Notizen

Internet, Astronomie, Raumfahrt & mehr

"Breaking News", Medien und Social Media

Während sich am Abend in den USA und über den Atlantik die Nachricht über den Amoklauf in einer Grundschule in Newtown, Connecticut verbreitete, hatte ich Spätdienst und konnte das Elend quasi "live" verfolgen. Irgendwann - kurz nachdem erstmals der Name des potentiellen Täters durch die amerikanischen Medien geisterte - meinte ich noch zu einer Kollegin: gleich gibt es die erste Agenturmeldung, in der beschrieben wird, was er auf Facebook und Twitter geschrieben hat. Ich sollte - fast - Recht behalten.

Nur Minuten später liefen die ersten Bilder über die Agenturen (konkret: über eine Agentur, ich nenne keine Namen) - offensichtlich von einem Facebook-Profil entnommen. Und auch auf Twitter ging es rund. Was ich aus den USA höre, liefen dort der Name und das Bild über Fernsehsender und Nachrichtenwebsites.

Meine erste Reaktion auf Twitter:

Ich will nicht viel mehr dazu schreiben, eigentlich nur das hier:

Es gehört nicht viel dazu, auf Facebook oder Twitter einen Namen einzugeben, zu schauen, ob der Wohnort passt und dann anzunehmen, dass es sich um den Täter handelt. Das kann jeder und das haben wohl auch sehr viele User getan. Und genau an dieser Stelle fängt meiner Meinung nach die Arbeit von uns Journalisten erst an: Recherchieren, recherchieren, verifizieren. Und abwägen, ob die Info wirklich wichtig genug ist, um verwendet zu werden. Denn erstens kann man durch eine falsche Information in einem solchen Fall im wahrsten Sinne des Wortes Leben zerstören und zweitens hilft sie der Öffentlichkeit nicht weiter. Die Menschen sind tot und werden dadurch leider nicht mehr lebendig.

Dazu habe ich vorhin einen Tweet gelesen, der mich erschreckt hat. Leider habe ich ihn nicht favorisiert und finde ihn in der Tweet-Flut nicht wieder. Ich versuche, es nachzuerzählen: Ein Twitter-Nutzer, der den gleichen Namen hat wie der (zu diesem Zeitpunkt) mutmaßliche Täter beschwert sich, dass er zugespammt wird wegen seines Namens und dass er es doch gar nicht gewesen sei. Das retweetet ein anderer Twitter-Nutzer mit dem sinngemäßen Kommentar "aber dein Bild ist in den Nachrichten, du musst es also gewesen sein".

Ohne Worte.

Update 16.12. 00:10 Uhr: und weiter gehts mit der Vorverurteilung - hier ein interessanter Blogeintrag zum Thema Asperger-Syndrom, das manche Journalisten ferndiagnostiziert haben wollen.

Tanja Banner

Tanja Banner (geb. Morschhäuser), Online-Journalistin und Bloggerin mit Interesse an Social Media, Astronomie und Raumfahrt. Bücherwurm. Fan des FC Bayern. Pendlerin. Online-Redakteurin bei der Frankfurter Rundschau.

More Posts - Website

Follow Me:
FacebookGoogle Plus

4 Kommentare

  1. hannes oppermann

    15. Dezember 2012 at 2:50

    der andere [*****] konnte jedoch nachweisen, dass er zu der Zeit arbeiten war…übrigens war das immer schon so, auch ohne Social Media gab es so eine Hysterie, wenn die Öffentlichkeit angespitzt ist und nach Erfolgen lechzt… in den 70 Jahren wurde schon einer mit Handschellen aus seinem Lebensverhältnisse gerissen, nur weil er ein Namensvetter von Andreas Barder war …

    [Anmerkung vom Admin: den Namen habe ich entfernt, da er falsch ist]

  2. Und so etwas passiert ja nicht das erste Mal. Man sollte meinen, dass inzwischen wenigstens professionelle Berichterstatter dafür sensibilisiert sein sollten.

  3. Ich finde es unmöglich, dass in sogenannten Nachrichten bestimmte Informationen als „nicht bestätigt“ oder „nicht verifiziert“ bezeichnet werden und trotzdem Verwendung finden. Wozu dann zeigen wenn Quelle und Inhalt nicht klar sind? Das Treffen einer gewissen Vorauswahl und damit auch Steuerung des Themas seitens der Medien wird ja häufig kritisiert aber das gehört auch zur Verantwortung einer Redaktion. Diese Verantwortung darf nicht delegiert werden an Leser, Hörer, Zuschauer, die dann doch naiv einfach alles glauben „was in der Zeitung steht“.

  4. @Hannes Oppermann: Das mag sein, dass es schon vor Social Media eine solche Hysterie gab – sie kann aber nicht so schnell gewesen sein. Eine falsche Verhaftung haben höchstens die Nachbarn mitbekommen (keine Frage, das ist sicher auch traumatisch für den Betroffenen!) – heute sieht man das in Minutenschnelle weltweit im Fernsehen und im Internet und wird auf Twitter beschimpft, nur weil man zufällig den gleichen Namen hat. Ich glaube, das ist noch ein paar Stufen schlimmer.

    @Mo & Diana: ich sehe schon, wir verstehen uns…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*

© 2024 Digitale Notizen

Theme von Anders NorénHoch ↑

Diese Webseite nutzt Cookies, Social Media Plugins und Tracking Tools. Weitere Informationen gibt es unter Datenschutz.
Alles klar.
x