Nachdem meine erste Konzertkritik (sinfonische Blasmusik!) nicht so doll war, hatte ich höllische Angst vor der zweiten, die ich heute schreiben musste. Zur Unterstützung habe ich mir das Buch "Rezension und Kritik" von Edmund Schalkowski angeschafft, was mir aber nicht sonderlich viel gebracht hat. Ein kleiner Auszug zur Verdeutlichung:
"Kunstwerke sind ohne Zweifel soziale Gegenstände: Sie werden von Menschen produziert und rezipiert, sie wirken auf das Leben des Einzelnen wie der Kultur als ganzer und empfangen umgekehrt ihre Bedeutung vom geschichtlich-gesellschaftlichen Umfeld, in denen sie existieren."
Was soll ich denn damit anfangen? Ich will den Artikel nicht fürs Feuilleton schreiben, sondern für den Lokalteil einer regionalen Tageszeitung. Und ich glaube kaum, dass die Leser etwas von "sozialen Gegenständen" lesen wollen. Die wollen hören, ob das Konzert gut war. Die Beteiligten wollen gelobt werden, die Zuhörer wollen in ihrer Meinung bestätigt werden und diejenigen, die nicht dort waren, wollen wissen, ob sie etwas verpasst haben. Und das wars. Keine sozialen Gegenstände und kein geschichtlich-gesellschaftliches Umfeld. So ein Blödsinn.
Aber ich schweife ab: Ich habe den gefürchteten Artikel also ohne die Hilfe des Buchs geschrieben, immer im Hinterkopf die Fehler, die ich beim letzten Mal gemacht habe: Nicht das ganze Programm mit wenigen wertenden Adjektiven herunterbeten, sondern einzelne, wichtige Stücke herauspicken und auseinandernehmen. Gleichzeitig das Verhalten und den Klang des Orchesters und die Arbeit des Dirigenten auf musikalische Gesichtspunkte hin untersuchen. Im Endeffekt sind bei mir dann solche netten Passagen herausgekommen:
Es wird nicht nur eine beeindruckende Klangfülle erzeugt, auch die Harmonie zwischen den einzelnen Registern stimmt. Ihr Können beweisen die Musiker auch bei „Give me some groove“ von Ennio Salvere: Die Wechsel zwischen den Musikrichtungen Funk, Blues und Soul gelingen problemlos, das vom Holzregister untermalte Trompetensolo unterstreicht erneut die Harmonie im Orchester.
Ob's gut ist, werde ich dann demnächst erfahren. Bis dahin bleibt mir nur Daumendrücken übrig...
5. Dezember 2005 at 16:35
Ohne den Gesamtzusammenhang zu kennen möchte ich doch vermuten, dass der Autor mit dem zitierten Textauszug gleichsam richtig wie unhilfreich sagen wollte, dass es keine absolute (Konzert-)Kritik gibt. Alles ist relativ (und das sag ich jetzt nicht nur weil ich Physik studiere :D). Wie etwas ankommt hängt von vielen, teils persönlichen Faktoren ab. Was das Ganze Kritikschreiben zu einem schwierigen Unterfangen macht. Und was der Grund ist, weshalb ich selten Kritiken lese – und wenn dann doch einmal, nichts darauf gebe was darin steht ;).
Aber was du da geschrieben hast klingt doch klasse :). Da kannst du getrost auf diesen Typen sch***en ;) (hast du nen Badwordfilter? :D).
5. Dezember 2005 at 21:55
Also ich finde Kritiken schon spannend. Aber nur dann, wenn ich mit dem, was kritisiert wird, etwas anfangen kann – d.h. bei Musik, wenn ich selbst bei dem Konzert war. Und ganz ehrlich: Wer liest denn schon meine Kritik außer Leute, die auf dem Konzert waren oder deren Enkel mitgemacht haben? Wahrscheinlich keiner.
Und das Buch ist einfach nur sch****. 18 Euro zum Fenster rausgeschmissen…