Mitten in Frankfurt - auf der Zeil zwischen Hauptwache und Konstablerwache, am Mainufer in der Nähe des Eisernen Stegs und auf einem Stück der Mainzer Landstraße - können aufmerksame Spaziergänger in diesen Tagen blau-grau gestreifte Stoffbinden sehen, die um Baumstämme gewickelt sind. Auf einigen der Stoffbinden stehen Namen, auf den meisten von ihnen stehen Nummern.
Was es damit auf sich hat? Es ist die Kunstaktion "Mitten unter uns", die vom Kulturamt der Stadt Frankfurt ausgeht und von der Künstlerin Stefanie Grohs seit März 2015 umgesetzt wird. 1600 Stoffbinden im Stadtgebiet sollen daran erinnern, dass es sprichwörtlich "mitten unter uns", nämlich in den Adlerwerken im Frankfurter Gallus, eine KZ-Außenstelle gegeben hat. 1600 Häftlinge waren in den sieben Monaten der Existenz des KZ Katzbach dort inhaftiert, nur etwa 50 von ihnen erlebten das Kriegsende.
Die grau-blauen Stoffbinden mit ihren Zahlen oder Namen erinnern optisch an Häftlingskleidung. Die Namen, die auf den Binden stehen, sind die Namen der Opfer, die bekannt sind. Die Zahlen, die auf den meisten Binden stehen, sind fiktiv und stehen für die "anonymen" Opfer.
Ich selbst bin zwar keine Frankfurterin, aber doch in der Umgebung aufgewachsen. Trotzdem hatte ich bis zu dieser Kunstaktion keine Ahnung, dass es in Frankfurt eine KZ-Außenstelle gab. Seit einiger Zeit arbeite ich im Gallus und sehe täglich den Schriftzug "Adlerwerke" auf meiner S-Bahn-Fahrt. Bisher hatte ich keine Ahnung, was hinter diesen Mauern vor 70 Jahren geschah.
Aber als ich die Stoffbinden zum ersten Mal sah (sie hängen auf meinem Fußweg von der S-Bahn-Station Gallus bis zur Redaktion der FR), wusste ich zumindest sofort, dass die Aktion irgend etwas mit Konzentrationslagern zu tun haben musste. Eine kurze Recherche - und schon war klar, worum es geht. Unglaublich, dass man heute nicht (mehr?) weiß, dass man sich in so unmittelbarer Nähe eines ehemaligen KZs befindet. Ich werde das Schild der "Adlerwerke" nun mit anderen Augen sehen.
Danke für diese nachdenklich machende und großartige Aktion.
Mehr Informationen zum Kunstprojekt gibt es auf der Projekt-Website "Mitten unter uns". Auch ein FR-Kollege hat darüber berichtet. Weitere Fotos von den Stoffbinden auf der Zeil und am Mainufer gibt es bei Stadtkind Frankfurt.
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