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Buchkritik: "Die Frau des Zeitreisenden"

Weil meine Einträge über das Buch "Die Frau des Zeitreisenden" von Audrey Niffenegger so große Resonanz gefunden haben und jeder das Buch lesen will oder schon gelesen hat, will ich euch meine Buchkritik natürlich nicht vorenthalten.

Lebenslanges Warten auf die große Liebe


„Die Frau des Zeitreisenden“ von Audrey Niffenegger handelt von der großen, lebenslangen Liebe, die immer wieder verschwindet, aber doch nie weg ist. Symbol für diese Liebe ist Henry, der durch einen Gendefekt gezwungen ist, durch die Zeit zu reisen. Dabei landet er immer wieder bei Clare – der Liebe seines Lebens.

Als Clare Henry zum ersten Mal begegnet, ist sie sechs Jahre alt und Henry für sie ein unbekannter 36-Jähriger aus der Zukunft. In der Zeit, aus der Henry kommt, ist er bereits mit Clare verheiratet und weiß, dass er seine zukünftige Frau vor sich sieht. Im Laufe von Clares Kindheit und Jugend taucht Henry immer öfter auf, Clare weiß mittlerweile, dass der Zeitreisende eines Tages ihr Ehemann sein wird. Mehr will Henry nicht verraten, „weil es nicht gut ist, Dinge im Voraus zu wissen. Das vermasselt dir dein Leben“, erklärt er der 15-jährigen Version seiner Ehefrau. Henry weiß ganz genau, wovon er dabei spricht: Es verschlägt ihn zwar nicht oft in die Zukunft, wenn es aber doch passiert, sieht er dort meistens etwas, was ihm nicht gefällt.

Henry und Clare sind nicht "perfekt"
Auch wenn das Thema „große Liebe“ kitschig klingt: Das Buch ist es bei weitem nicht. Das liegt unter anderem daran, dass Henrys Zeitreise-Zwang als unkontrollierbare Krankheit dargestellt wird, unter der er leidet. Aber auch die Beziehung zwischen Henry und Clare ist alles andere als perfekt, die beiden sind kein ideales, romantisches Liebespaar, sondern ganz normale Menschen: Henry ist Bibliothekar, Clare schlägt sich als bildende Künstlerin durchs Leben. Die beiden wohnen in Chicago, hören gerne amerikanischen Punk, haben gelegentlich Probleme mit ihren Eltern und leiden unter Henrys unfreiwilligen Ausflügen in die Zeit.

Ungewissheit und Warten
Der Leser begleitet Clare und Henry durch ihr gemeinsames Leben und die Höhen und Tiefen in der Partnerschaft, die allzu oft von Henrys Zeitreisen ausgelöst werden. Was Henry auf seinen unfreiwilligen Ausflügen in die Zeit erlebt, darf der Leser genauso verfolgen wie Clares Ungewissheit und das Warten auf die Rückkehr ihres Mannes. „Jeder Augenblick des Wartens erscheint mir wie ein Jahr, wie eine Ewigkeit. Jeder Augenblick ist träge und durchsichtig wie Glas. Hinter jedem Augenblick sehe ich endlos aneinander gereihte Augenblicke warten. Warum ist er fort, und ich kann nicht mitkommen?“, fragt sich Clare jedes Mal aufs Neue.

Ein außergewöhnliches Buch
Audrey Niffenegger hat mit ihrem Debütroman ein außergewöhnliches Buch geschrieben. Die Geschichte ist neu und gut durchdacht, die Personen lebendig und ganz nah, die Gefühle so eindringlich, dass man stellenweise weinen möchte. Dabei sind es hauptsächlich Henrys Zeitreisen, die den Leser auch zum Schmunzeln bringen. Etwa dann, wenn der 24-jährige Henry sein 5-jähriges Ich auf seiner ersten Zeitreise in ein Museum begleitet und den Museumsführer spielt. Manchmal kommt Henry auch gerade rechtzeitig, um sein anderes Ich aus einer brenzligen Situation zu befreien. Diese Szenen verleihen dem Buch einen einzigartigen Charme, genau wie die Begegnungen mit der jungen Clare, die den Mann aus der Zukunft vor ihren Eltern und Freundinnen verstecken muss.

Clare muss warten
Die Entwicklung der Hauptpersonen ist logisch nachvollziehbar: So erkennt Clare mit der Zeit, dass Henry sie in ihrer Kindheit nicht besucht hätte, wenn er sie in der Gegenwart nicht gelegentlich verlassen würde. Und hätte Clare Henry in ihrer Kindheit nicht kennen gelernt, hätte sie ihn bei ihrem ersten Treffen in der Gegenwart vielleicht niemals angesprochen und sie wären sich niemals näher gekommen. Durch diese Erkenntnisse fällt es Clare leichter, immer wieder auf Henry warten zu müssen – als Frau eines Zeitreisenden bleibt ihr auch gar nichts anderes übrig.

Ein Schmöker, der zu Tränen rührt
Einziger Wermutstropfen des Buchs ist stellenweise die Komplexität der Geschichte: Erst wenn man sich durch die ersten hundert Seiten des Buchs gearbeitet hat, versteht man das System, das hinter Henrys Zeitreisen steckt und warum er sich beispielsweise in der Vergangenheit auch selbst begegnen kann. Wenn man sich damit angefreundet hat, ist das Buch einfach himmlisch, ein Schmöker, den man erst aus der Hand legen kann, wenn man ihn zu Ende gelesen hat. Und genau wie Clare weiß man dann endlich auch genau, wann und wo Henry auftauchen wird. „Diesmal weiß ich, Henry wird endlich kommen. Er wird kommen und ich bin da.“

© T.M.

Audrey Niffenegger: „Die Frau des Zeitreisenden“
Fischer-Verlag
ISBN: 3-596-16390-0

Tanja Banner

Tanja Banner (geb. Morschhäuser), Online-Journalistin und Bloggerin mit Interesse an Social Media, Astronomie und Raumfahrt. Bücherwurm. Fan des FC Bayern. Pendlerin. Online-Redakteurin bei der Frankfurter Rundschau.

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2 Kommentare

  1. Da sind hoffentlich keine Spoiler drin, oder?

    Ansonsten Danke Dir schonmal dafür ;)

  2. cassiopeia

    13. Mai 2007 at 17:29

    Nein, keine Angst. Spoiler sind doch doof ;-)

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